Die Revolution des Landlebens – Teil 2 der Online-Reihe

Virtuelle Erkundungen neuer Ländlichkeit
in Praxis und Wissenschaft

Über den Strukturwandel der Landwirtschaft wird schon lange und kontrovers diskutiert. Dieser Strukturwandel der ländlichen Besiedlung und Bevölkerung ist sehr tiefgreifend, aber kaum ein Thema in öffentlichen Debatten. Dabei entsteht hier etwas gesellschaftspolitisch Neues: Erstmals seit der Jungsteinzeit arbeitet die überwältigende Mehrheit der Menschen auf dem Lande nicht mehr in der Landwirtschaft, im Forst oder in der Fischerei.

Diesen Wandel wollen wir – die Mecklenburger AnStiftung und die Europäische Akademie MV– in diesem Jahr mit Expertengesprächen erkunden, dabei aktuellen Entwicklungen auf den Grund gehen und den Strukturwandel auf dem Land aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten. Jede Veranstaltung findet online statt mit einem Kurzvortrag und Zeit für Anmerkungen und Diskussionen. Im Anschluss bietet der Moderator jeweils ab 20.15 ein Nachgespräch über Zoom an.

Den Zoom-Einwahllink für alle Veranstaltungen der Reihe erhalten Sie bei der Europäischen Akademie MV von Ewa Wilk: e.wilk@ea-mv.com

Das Programm als PDF zum Download gibt es hier: https://www.landblog-mv.de/wp-content/uploads/2021/04/Flyer-2.-Landleben-Online-2021.pdf

Montag, 3. Mai 2021, 18.00 bis 19.15
Prof. Dr. Werner Bätzing
Zur dreifachen Entwertung des Landlebens
Industrielle Revolution – Reformen der 1960/70er Jahre – Neoliberalismus

Zum Thema:
Dieser Beitrag thematisiert die „Entwertung“ des Landlebens in einer „integrativen“ Perspektive, also nicht bloß den Rückgang der Landwirtschaft oder den Verlust von Arbeitsplätzen oder den Abbau von dezentralen Infrastrukturen, sondern die Entwertung von Wirtschaft, Kultur und Umwelt im ländlichen Raum in ihren wechselseitigen Verflechtungen (einschließlich der politischen Gestaltung). Damit greift der Referent zentrale Thesen seines Buches „Das Landleben“ (Verlag C. H. Beck, München 2020) auf und präsentiert sie in knapper Form.

Der Referent:
Prof. em. Dr. Werner Bätzing, geb. 1949, wuchs im ländlichen Raum Nordhessens auf und studierte von 1968-1974 Evangelische Theologie und Philosophie. Später machte er eine Buchhändler-Lehre, arbeitete in verschiedenen Buchhandlungen und Verlagen in Westberlin und engagierte sich in der Gewerkschaft Handel, Banken, Versicherungen. Von 1983-87 studierte er an der TU Berlin Geographie, um sein Interesse an den Alpen zu vertiefen. Nach dem Examen wurde er 1988 ans Geographische Institut der Universität Bern geholt, wo er in kurzer Zeit zu Alpen-Themen promovierte und habilierte und wo er als Alpenforscher international bekannt wurde. 1995 folgt er einem Ruf an die Universität Erlangen-Nürnberg, an der er bis zu seiner Emeritierung 2014 als Professor für Kulturgeographie lehrte. In dieser Zeit beschäftigte er sich intensiv mit dem ländlichen Raum in Franken und in Bayern, und dieses Thema macht er neben den Alpen zu seinem zweiten Schwerpunkt in Forschung und Lehre. Dabei war die enge Zusammenarbeit mit Akteuren im ländlichen Raum die Grundlage seiner Aktivitäten, in die in der Regel viele Studenten eingebunden waren (Examensarbeiten, Dissertationen, Projektseminare, Exkursionen). Nach 2014 engagiert sich Werner Bätzing im Rahmen des von ihm geleiteten „Archivs für integrative Alpenforschung“ weiterhin für diese Themen.
https://www.geography.nat.fau.eu/person/werner-baetzing/
Kontakt: werner.baetzing@web.de

Montag, 7. Juni 2021, 18.00 bis 19.15
Dr. Kenneth Anders
Vom Dorfklatsch zur regionalen Selbstbeschreibung
Über die Arbeitsweisen der Landschaftskommunikation

Zum Thema:
In Dörfern, die als sozioökonomische Systeme funktioniert haben, gab es eine permanente Kommunikation. Die dörfliche Gemeinschaft war klar von ihrer Umwelt abgegrenzt, sorgte für einen kontinuierlichen Mittteilungsfluss und traf Entscheidungen über die Relevanz und Zuverlässigkeit von Informationen. Auf dieser Grundlage beruhte die dörfliche Selbstorganisationsfähigkeit und es gedieh eine Neugier auf die Welt. Heute sind diese Kommunikationsgemeinschaften zu großen Teilen zerfallen. Die Landschaftskommunikation ist eine kulturwissenschaftliche Arbeitsweise, die darauf zielt, diesen Verlust auf regionaler Ebene zu kompensieren. Im Vortrag wird diese Arbeitsweise anhand ihrer Grundbegriffe und einiger Fallbeispiele vorgestellt.

Der Referent:
Dr. Kenneth Anders studierte Kulturwissenschaften, Philosophie und Soziologie und arbeitete zwanzig Jahre in der Nachhaltigkeitsforschung. Mit Lars Fischer gründete er 2003 das Büro für Landschaftskommunikation und 2011 den Aufland Verlag. Er ist Programmleiter des Oderbruch Museums Altranft sowie Festivalleiter der Provinziale, des Filmfestes Eberswalde, zudem Autor von Essays und Theaterstücken zu ländlichen Themen.
https://landschaftskommunikation.de/
Kontakt: k.anders@oderbruchpavillon.de

Montag, 5. Juli 2021, 18.00 bis 19.15
Dr. Annett Steinführer
Weder Land- noch Stadtflucht. Ein Plädoyer für mehr Neugier auf ländliche Lebenswelten (und mehr Gelassenheit)

Zum Thema:
Wird in der Pandemie aktuell eine (neue) Attraktivität des Landlebens beschworen, so klangen die Töne vor Kurzem noch ganz anders (wenngleich ähnlich dramatisch). Nicht selten war dem Dorf – oder zumindest einzelnen Dörfern – ein nahendes Ende prophezeit worden. Dies geschah oft aus der Außenperspektive und unter der Annahme vermeintlich unabänderlichen Bevölkerungsrückgangs, gern auch unter Verweis auf die Kosten der Aufrechterhaltung öffentlicher Infrastrukturen. Die sozialwissenschaftliche Forschung hat zu diesem Abgesang weitgehend geschwiegen – obwohl es zum Grundverständnis von Wissenschaft gehören sollte, die vermeintliche Unabänderlichkeit und Linearität von Entwicklungen kritisch zu hinterfragen und Überraschungen zuzulassen. In ihrem Beitrag berichtet die Referentin aus abgeschlossenen und laufenden Forschungsprojekten in Dörfern in unterschiedlichen Regionen Deutschlands. Sie plädiert für mehr Gelassenheit in der Deutung räumlicher Entwicklungen, für mehr Neugier auf das tatsächliche Geschehen vor Ort und einen Perspektivwechsel. Denn nimmt man Bleiben statt Abwandern, Gestalten statt Erdulden, Umbauen statt Schließen in den Blick, dann ändert sich so manche Interpretation ländlichen Wandels.

Die Referentin:
Dr. Annett Steinführer, geb. 1972, studierte nach einem Volontariat beim Rundfunk (1990/91) von 1991 bis 1997 in Leipzig, Glasgow und Brno/Brünn Soziologie, Bohemistik/Slowakistik sowie Ost- und Südosteuropawissenschaften. Danach arbeitete sie gut zehn Jahre am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ in Leipzig zu Fragen der Großstadtentwicklung und promovierte 2002 an der Professur für Soziologie des Raumes an der TU Chemnitz. Seit 2010 ist sie als Wissenschaftlerin am Thünen-Institut für Ländliche Räume in Braunschweig tätig und leitet dort mehrere landsoziologische und landgeographische Forschungsprojekte. Diese befassen sich mit sozialem Wandel, Alterung und Daseinsvorsorge in Dörfern und Kleinstädten sowie mit Sesshaftigkeit, Rückkehr und Abwanderung. Annett Steinführer ist durch und durch Sozialwissenschaftlerin mit einer unstillbaren Neugier auf Dörfer und Kleinstädte bundesweit – und vor allem auf ihre Menschen. Aktuelle Veröffentlichungen sind z. B. der Sammelband „Das Dorf. Soziale Prozesse und räumliche Arrangements“ (Hrsg., mit Lutz Laschewski, Tanja Mölders und Rosemarie Siebert; 2019) und das „Kompendium Kleinstadtforschung“ (Hrsg., mit Lars Porsche und Martin Sondermann; im Druck).
https://www.thuenen.de/de/lr/personal/wissenschaftliches-personal/dr-annett-steinfuehrer/
Kontakt: annett.steinfuehrer@thuenen.de

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